Text: Dennis Rüter
Nach und nach veröffentlicht der Uhrwerk-Verlag immer mehr hochwertiges Material für Aventuriens Nachbarkontinent Myranor.
Nachdem in “Myranische Magie” das Magiesystem ebenso stimmig wie überlegt überarbeitet präsentiert wurde, erschien im Sommer letzten Jahres der Band “Myranische Götter”, dem zwar nicht so viele neue Grundregeln entsprungen sein mögen, der dafür aber endlich auch myranische Geweihte so weit spielbar macht, wie dies bei diesen göttergesegneten Leuten überhaupt möglich ist.
Einerseits ist es der Blick auf die etwas magere Liste auf die Vorschau von Artikeln in dieser MM, andererseits meine Idee, diesen Band zu rezensieren (was bisher in der MM ja noch nicht passiert ist), und drittens die Tatsache, dass ich gerade etwas Luft dafür habe, was mich dazu bewegt, diese Zeilen zu schreiben. “Besser spät als nie”, heißt es schließlich.
Aufmachung:
Ein hjaldingsches Schiff wird in stürmischer See von einer Art Engeln (wahrscheinlich Cherubim) mit Flammenschwertern attackiert, während sich im von Blitzen erhellten Himmel ein bärtiges Gesicht abzeichnet, wohl von Efferd. Ein passendes Cover für den Band. Auch die Bilder im Buch selbst sind ganz schick, manchmal aber einen Tacken zu puristisch für meinen Geschmack. Die Texte sind gut lesbar.
Hintergrund:
Den Anfang bildet ein kleines Kapitel, das einige grundlegende Begriffe wie die beiden kosmischen Urkräfte Nairaces und Secarian oder den Sternenhimmel des Westens erklärt. Weiter geht es mit der Geschichte des Glaubens in Myranor, die bereits bekannte Texte aus dem Hardcover ergänzt und vor allem im Norden des Kontinents ordentlich ausbaut.
Der weitaus größte Teil des Bandes entfällt auf die Beschreibung des Pantheons und der Religionen verschiedener Kulturen. Am ausführlichsten tun die Autoren dies anhand des noch immer riesigen Imperiums mit seiner Oktade und unzähligen weiteren Kulten. Neben einer magiefreundlichen (außer gegenüber Dämonenbeschwörern) Variante des Praios tummeln sich darin unter anderem in Aventurien vergessene Götter. So ist der Siminia-Kult für Handel und Handwerk zuständig, während Shinxir als Kriegsgott Strategie, Taktik, Disziplin und Zusammenhalt propagiert – anders als die Einzelkämpfer Rondra und Kor.
Dabei fällt auf, dass die Oktade eher eine staatlich mehr oder weniger im ganzen Großreich geförderte Glaubens-Empfehlung ist, die andere Kulte nicht verbietet, solange sie den Herrschaftsanspruch der Optimaten und die Gesetzgebung unangetastet lassen. Einige Regionen – wie Era’Sumu – pflegen stattdessen ihren ganz eigenen Glauben, zum Beispiel an Sumu, Satu und Lev’tha.
Zudem sind nicht alle Priester auch Geweihte, die Führer der Tempel sogar zu deren Kontrolle und ihrem Eigennutz magisch begabte Optimaten, die allerdings in der Regel ein gewisses Verständnis für den entsprechenden Kult mitzubringen haben. Wie imperiale Tempel aufgebaut sind und Opfer abgehalten werden, wird ebenfalls ausführlich geschildert. Leider fehlt hier ein Übersichtsplan als Beispiel, was ganz schön gewesen wäre.
Weiter geht es mit fremden Völkern und Rassen (auch im Imperium) wie den Amaunir und Neristu, oder knappen Vorstellungen der Religionen der Kerrishiter, Vesai etc. Diese enthalten immer auch Texte, wie die Religion im Alltag gelebt wird. Neben bereits spielbaren Völkern und Rassen sind es hier die im hoffentlich bald erscheinendem Band “Unter dem Sternenpfeiler” zu erwartenden Bewohner des myranischen Nordens, zu denen es viele konkrete Informationen gibt. Dabei werden auch neue Völker – wie Minotauren oder die wahrscheinlich zwergischen Rhogolanen – im Rahmen ihres Glaubens präsentiert. Doch ebenso haben Kentori und Ban’Bargui ihren Platz.
Dabei wird die allgemeine Beschreibung dieser Wesen wohl im erwähnten Band zu finden sein, sodass sich aus dem Götterband allein kein spielbares Bild ergibt. Dabei wird sich auch klären, wie stimmig die neuen Rassen und Kulturen letztendlich sind, sodass ich hier beispielsweise die in meinen Augen in Myranor etwas unpassenden Rhogolanen – so es sich wirklich um Zwerge handelt – nicht negativ in die Wertung einfließen lasse.
Regeln:
Der Rest des Buchs geht auf die Regeln ein. Neben Liturgien für weit verbreitete Kulte wird gerade für kleinere ein weiteres System angeboten, das freiere, jedoch unberechenbarere und schon vor Liturgien bekannte göttliche Anrufungen ermöglicht. Deren genaue Wirkung hängt von den übrigen Punkten einer Liturgiekenntnis-Probe und dem Spielleiter ab, sodass hier vor dem Wirken ausführlich über die möglichen Resultate gesprochen werden sollte. So kann ein Pheronos-Geweihter (Firun), der sich auf den Schutz versteht, vor der Macht von Eis und Schnee schützen. Ob dies eine Minderung von Kälteschaden oder sonstwas bedeutet und wie viele Punkte dann davon abgehen, hängt von der Probe und dem Spielleiter ab.
Dabei fallen jedoch einige zwar kleine, aber unschöne Schnitzer auf. So kann ein Brajanos-Diener (Praios) recht effizient mit einer Liturgie des ersten Grads einen Gegner blenden, aufgestuft bis zu zehn. Ein Anhänger Shinxirs dagegen braucht eine Spielrunde, um ein einige KR anhaltendes, schwächeres Wunder des zweiten Grades ähnlicher Art zu vollziehen. Das dies von vornherein auf zehn Gegner wirkt, verbessert es nicht wirklich – eine Angelegenheit für Hausregeln.
Auch die Generierung eigener Götterdiener und – kulte ist möglich, nebst einiger neuer Vor- und Nachteile. So können auch nicht alveranische Götter ihren Dienern vom Start weg mehr als die in Aventurien üblichen 12 KaP verleihen, die Zwölf im Gegenzug an etwas wacklige Kandidaten weniger als 24. Zu guter Letzt schließt eine Liste von (imperialen) Feiertagen den Band ab.
Preis/Leistung:
Etwas schade ist der bei 224 Seiten relativ hohe Preis von 40,- €, für den es auf aventurischer Seite noch solche Briefbeschwerer wie das mehr als 400 Seiten starke “Wege der Zauberei” mit mehr Umfang (wenn auch weniger übersichtlich) gibt.
Bewertung:
Aufmachung: | 4 von 5 |
Hintergrund: | 5 von 5 |
Regeln: | 4 von 5 |
Preis/Leistung: | 4 von 5 |
Insgesamt: | 17 von 20 Punkten |
Fazit:
Ein lohnender Band nicht nur für Leute, die Religionen und Geweihte ins myranische Rollenspiel einbringen wollen, sondern auch für solche, die sich für den Hintergrund des Kontinents interessieren.