Rezension: Den Göttern versprochen

Text: Wiki Aventurica Dennis Rüter

Den Göttern versprochen
1. Myranor-Roman (2002)
236 Seiten, davon 223 Geschichte, etwa 6 für Anhänge und 1 Dramatis Personae; 4€
Charlotte Engmann

Frühlingszeit, Wachstumszeit. Nur neigt die Jahreszeit des frischen Grüns gerne mal zu Schmuddelwetter, Kaltwetter-Einbrüchen, unerwartetem Frost und Glatteis. Ganz zu schweigen von einer wahren Pollen-Invasion, die leidgeprüften Nasen die Lust an der Außenwelt zu vergeigen mag. Und wer vom Rumtollen oder der Arbeit erschöpft nach Hause kommt und nichts Interessantes im Fernsehprogramm findet, weis, dass guter Zeitvertreib auch durch ein gutes Buch gewährleistet ist – ganz zu schweigen von der Anregung für die eigenen Hobbys, besonders das mit den Würfeln.
Begleitend und ergänzend zu den Abenteuern und Kampagnen, zum Zeitgeschehen und bekannten Persönlichkeiten wurden und werden in der aventurischen Sparte der DSA-Romane veröffentlich; für Myranor bleibt diese Begleitung in Ermangelung einer fortlaufenden Geschichtsschreibung aus. So bleiben nur recht persönliche Geschichten (von gewissen ‚Cross-Over-Romanen‘ abgesehen, aber dazu in der nächsten Rezi mehr). Vielleicht wird sich dies noch ändern – vielleicht auch nicht. Aber das ist hier nur bedingt Thema, und bevor ich noch lange schwafel, fange ich lieber mit der Rezension an.

Cover:

Eine junge Frau steht vor einer Art Brücke über einer Art Schlucht und ein paar Bäumen; da der Roman ebenfalls in Wiki AventuricaBalan Cantara spielt, eine nicht ganz passende Szene; aber im übertragenem Sinne (oder als Anspielung auf den Besuch in einer Ruine der Stadt) noch akzeptabel – mehr nicht, denn Schluchten hat die Sumpfstadt bekanntlich nicht.

Geschichte:

Lycadia, eine junge Heilerin (und angenehmerweise Güldenländerin) bekommt es mit einem düsteren Kult zu tun, der sie einer gemeinen Gottheit opfern möchte. Doch zum Glück trifft sie auf Freunde: Ex-Myrmidone, Wiki AventuricaBaloa und Wiki AventuricaShingwa-Kundschafter stehen ihr bei der Aufklärung des Rätsels und im Kampf gegen die Bösewichte zur Seite. Ob das reichen wird? Und was sagt die optimatische Obrigkeit, wenn ihre geheimen Zauberkräfte ans Licht kommen? Immerhin gibt es ja ein gewisses Monopol auf Vollmagier seitens der Optimaten.
Obwohl die Anzahl der Seiten nur ein klein wenig über die des Schandflecks kommt, hat Frau Engmann ein besseres Gespür für eine Geschichte und die Entwicklung eines Spannungsbogens.
Auch ist der Plot umfangreicher – was schon der längere Rücktext erahnen lässt. Die Heldengruppe ist nicht übermächtig, ebenso wie der Feind. Schade vielleicht, dass Magie sich fast nur in Form besonderer, eher ungeschulter Heilkraft der Heldin offenbart und die BaLoa auch nur wenig auf ein paar stellare Kräfte zurückgreift (nichts also mit Angriffen durch brennende Hände) – aber die Magieregeln, so sie damals schon draußen waren, mögen schon genauso nachteilig spielbar wie heute gewesen sein.
Immerhin hält die Story einige Überraschungen bereit, wenn auch nicht in der Art, dass die Begleiter der Heldin plötzlich die Seiten wechseln oder der Bösewicht mitmal als einzig Guter dastehen würde; der strebt nur nach Macht. Neben dem Plot kommt nur wenig vor, aber immerhin wird zumindest eine dieser Geschichten (mit einem verletzten Wiki AventuricaLeonir) in den Plot aufgenommen.
Auch hier wird die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, aber durch den grundsätzlich niedrigeren ‚Verheizungs-Faktor‘ wird sie nicht zerstört.

Charaktere:

Großartige Entwicklungen der Akteure oder Überraschungen kommen nicht vor; dafür fühlte ich mich beim Lesen etwas stärker an die Charaktere gebunden als bei Der Schandfleck (siehe MM 17). Neben der Tatsache, dass diese eben nicht so extrem (im Sinne von übermächtig) gestaltet sind, mag dies auch daran liegen, dass die Helden ja schon in Myranor aufgewachsen sind.
Der übliche Trick, einen jungen oder an Gedächtnisschwund leidenden Akteur zu begleiten, der wie der Leser dann erstmal mit den Besonderheiten seiner neuen Schule oder der Außenwelt außerhalb seines kleinen Heimatlands konfrontiert wird und diese genauso zunächst lernen muss, wird nicht angewandt; aber Lycadia und ihre Kameraden sind genau wie ihre Widersacher auch nicht allwissend oder wandelnde Bibliotheken. Dadurch müssen auch sie gewisse Besonderheiten im Buch erstmal erklärt kriegen oder selbst Schlussfolgerungen anstellen.

Schauplätze:

Mal wieder spielt sich das Geschehen in Wiki AventuricaBalan Cantara ab. Reisen werden durch die verschiedenen Stadtteile unternommen, wobei deren Beschreibungen nicht bis in tiefe Details gehen. Da zwei myranische Kulte eine Rolle spielen, die von Wiki AventuricaRisso oder den Doppelschädel-Verehrern inspiriert sind, und auch die Gesellschaftsstruktur eine gewisse Rolle übernimmt, wäre es hier um einiges schwerer, die Handlung nach Aventurien zu verlegen.

Wiedergabe Myranors im Buch:

Neben den Rassen der Charaktere – imperiale Menschen, Wiki AventuricaAmaunir und Wiki AventuricaShingwa – kommen z.B. auch Wiki AventuricaRisso vor. Die Wiedergabe macht einen runden Eindruck, auch wenn vielleicht etwas stärker auf Besonderheiten und Eigenarten hätte eingegangen werden sollen. Auch erscheint mir der abschließende Aufstieg eines Charakters in die oberen Gesellschaftsschichten vielleicht ein bisschen zu einfach, aber dies könnte in einer Fortsetzung beleuchtet werden. Außer den beiden erwähnten Kulten spielt Religion keine Rolle (die sich mir nach einmaligem Lesen eingebrannt hätte), was ich Schade finde. Gerade der Gegensatz zwischen erlaubter Religiösität und der Unerlaubten hätte sicherlich einiges an Würze zufügen können.

Fazit:

Cover: 3 von 5 Sternen
Story: 3 von 5 Sternen
Charaktere: 3 von 5 Sternen
Schauplätze: 3 von 5 Sternen
Wiedergabe Myranors: 3 von 5
Gesamt 3 von 5 Sternen (5 ist die Bestwertung)

Ein nettes, nicht überragendes Buch; immerhin so gut, dass eine Fortsetzung hier durchaus interessant wäre.